Tausende belagern das Schloss
Von Markus Lehmann
AALEN-WASSERALFINGEN So einen Ansturm hat das Schloss seit Menschengedenken nicht mehr erlebt. Bunt, aufwendig und authentisch war die friedliche „Belagerung“ der einstigen Wasserburg mit dennoch martialischen Szenen. Tausende kamen am Wochenende zum 675-Jahres-Jubiläum des Wasseralfinger Schlosses bei bestem Feierwetter.
Zwei Tage lang strömten Massen in den Innenhof, den einstigen Wassergraben und in die Außenanlagen zum großen historischen Fest mit Mittelaltermarkt und einer detailreichen und bestens organisierten historischen Zeitreise durch 2500 Jahre.
Pulverdampf, Lagerleben, Spielmannsleute, Papiermacher, streitende Ritter, Kelten beim Zweikampf zu Pferde, Armbrustschießen, Gaukler, uralte Handwerkskunst, eine historische Kegelbahn, Falke und Uhu, wilde Gesellen beim „Mäuseroulette“ und einiges mehr: erstaunlich, was rund ums Schloss aufgefahren worden war. Alles wegen der ersten urkundlichen Erwähnung derer von Oettingen an den Herrn Ulrich von Ahelfingen im Jahr 1337: Eine Art historische Baugenehmigung sorgt 675 Jahre später für ein Fest, dass das Bezirksamt ein dreiviertel Jahr lang organisiert hat. Freizeitritter und Mönche ziehen rund ums Schloss, kleine Ritter mit Holz- und Plastikschwert nehmen ein „echtes“ Schwert in die Hand und staunen, wie schwer es ist und wie man damit wohl auch noch auf dem Pferd einen Zweikampf bestreitet.
Möglichst authentisch sein, heißt die Losung der Alemannengruppe Raetovarier. Sogar ein kleiner Junge wirkt wie aus dem dritten Jahrhundert in der Jetztzeit angekommen zu sein. Mit Inbrunst beackert er den Blasebalg bei der Erdesse, eine Art kleine mobile Schmiede für Fibeln, Zelt-Heringe und kleinere Reparaturen. Daneben bieten die „großen“ Alemannen Kräutermischungen etwa aus Johanniskraut oder Lavendelblüten an. Eindeutig kriegerischer werden die Szenen in Richtung Südwesten. Die Ritter der Flochberg stürmen aufeinander los mit Schaukampfschwert, Schild und entschärftem Morgenstern. Die kleinen Zaungäste feuern den schwarzen Ritter an, wie wenn’s ein Fußballstar wäre. Viel Schweiß fließt unter Kettenhemd und Rüstung, aber kein Blut. Im Wassergraben hat sich eine Bauernrotte unter dem Zeichen des Bundschuhs breitgemacht, sie sind aus Mönchsdeggingen im Ries, einer der Keimzellen des süddeutschen Bauernaufstands 1525. Zu Pferde und gerne Mal mit einem der kleinen Besucher messen sich die Kelten von Epona im ebenfalls unblutigen Zweikampf, in die Neuzeit geht es zu den „Landsknechten 1634“ aus Nördlingen. Wenn die Kanonen schweigen, Degen und Rapiere ordentlich im Arsenal ruhen, stimmen die Sänger ihre fröhlich-derben Weisen an.
In der Schandgeige bekommen Schüler einen Exkurs in mittelalterlichem Rechtswesen und viele Papas werden wieder zum Kind beziehungsweise zum Krieger für einen Augenblick: Einmal ein Schwert ohne Parierstange, aber mit Blutrinne in die Hand nehmen oder durch die Armbrust visieren. Dann zieht es die Besucher weiter zum Mittelaltermarkt oder zu den Bewirtungsständen. Dort gibt es „Rittersteak“ oder eine „Ahelfinger Halbe“. Und in den Abendstunden wurde oft angestoßen auf ein rundum gelungenes Historienfest, das Wasseralfingen so schon lange nicht mehr erlebt hat.
(Erschienen: 17.06.2012 21:10)